Einige Hörbeispiele zur Auswahl (wird gelegentlich ergänzt)
Gebaute Interviews
Brüssel, 29.09.2010
KurzFeature von Axel Gauster © NGG Aachen 2010.
Erstpublikation am: 19.10.2010
NGG-Region Aachen Online-Ressort Der neue Vorleser
Online-Text, Foto und Sprecher: Axel Gauster
Länge: 7:53 Minuten
mp3pro; 4,74 MB
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten NGG-Region Aachen
Esplanade de l'Europe. Brüssel. 29. September 2010. Sammelpunkt für rund 100.000 Demonstranten. Motto: 'NEIN zu Sparmaßnahmen. … Für ein Europa der Beschäftigung, der sozialen Gerechtigkeit und der Solidarität.'
Die zentrale Demonstration wird von dem Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB) organisiert.
Und es ist nur eine Veranstaltung dieses europäischen Aktionstages der Gewerkschaften. Im Europäischen Gewerkschaftsbund sind aktuell 82 Einzelgewerkschaften aus 36 europäischen Staaten und 12 industrielle Vereinigungen organisiert.
Der durchschnittliche gewerkschaftiche Organisationsgrad liegt in der Europäischen Union bei 24 % (gewichtet nach den Arbeitnehmerzahlen der jeweiligen Mitgliedsländer). Wobei Finnland mit 71 % den höchsten und Frankreich mit 8 % den niedrigsten Organisationsgrad aufweisen. In Belgien sind 54 % und in Deutschland sind 20 % der ArbeitnehmerInnen gewerkschaftlich organisiert. Dabei ist der hohe Organisationsgrad gekoppelt an die Aufgaben der jeweiligen Gewerkschaften. So werden in Ländern wie Dänemark, Schweden Finnland oder Belgien von den Gewerkschaften zum Beispiel das Arbeitslosengeld und andere soziale Leistungen ausgezahlt. Und die Macht der Gewerkschaften lässt sich nicht alleine an der Höhe des Organisationsgrades messen. Die Unterstützung für die Gewerkschaften in Spanien begründet sich aus dem hohen Stimmenanteil bei den Betriebsratswahlen. Die Gewerkschaften in Frankreich haben wiederholt gezeigt, dass sie jederzeit in der Lage sind, Massenstreiks und Großdemonstrationen zu organisieren und dies trotz geringer Mitgliedszahlen.1)
Die Finanzkrise aus dem Jahren 2008 und 2009 hat weltweit zirka 100 Millionen Menschen den Arbeitsplatz gekostet. Zur Rettung der nationalen Wirtschaftsräume und wichtiger Banken stellten Regierungen große Geldmengen bereit. Natürlich aus Steuermitteln und über Kredite. Ergebnis: Die weitere Verschuldung der ohnehin schon hoch verschuldeten europäischer Staaten zwingt zur Sparsamkeit. Die Regierungen kürzen ihre Ausgaben für Gesundheit, Bildung, Fürsorge und erhöhen gleichzeitig Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung. Sie setzen ein höheres Renteneintrittsalter fest, erhöhen die Einkommenssteuer für mittlere Einkommen, verschärfen den Markt für Leiharbeit. Die Liste ist lang und vielfältig. Auch in Deutschland. Zum Beispiel der vorgezogene Ausstieg aus der Kohlesubvention.
Die versprochene Kontrolle der Finanzmärkte und ihre Besteuerung findet nicht statt. Die geretteten Verursacher der Krise sind von diesen Sparmaßnahmen nicht betroffen.
Die Menschen sind wütend. Und sie gehen auf die Straße. Europaweit.
Eine Demonstration (lateinisch: „demonstrare“; zeigen, hinweisen, nachweisen, darlegen, beweisen) findet in der Öffentlichkeit statt. Sie ist eine Versammlung mehrerer Personen mit den Ziel der Meinungsäußerung.
In den freiheitlich-demokratischen Staaten ist das Recht auf friedliche Demonstration durch die jeweiligen Grundgesetze und Verfassungen als Grundrecht der Meinungsfreiheit und der Versammlungsfreiheit gesichert und definiert. In Deutschland sind der Artikel 5 und der Artikel 8 im Grundsetz maßgebend.2)
Bereits am 1. Mai 1856 fand in Australien eine Massendemonstration statt. Gefordert wurde der Achtstundentag.
Der Sammelpunkt füllt sich. Aus Deutschland sind zirka 2000 Gewerkschafter angereist. Zum Beispiel Kohlekumpel aus dem Ruhrgebiet. Ihre schwarzen Zunftanzüge glänzen durch goldene Verzierungen. Oder Hochofenarbeiter aus der Stahlindustrie. In Berufskleidung. Dunkler Helm, sandfarbene, dicke Handschuhe und bodenlange silberne Schürze schützt vor der großen Hitze des geschmolzenen Eisens.
Babylonisches Sprachengewirr. Bunt ist es. Laut ist es. „Je lauter eine Demo ist – um so aufgeschreckter die Regierenden“ , sagt ein Gewerkschafter der CGT – das ist der französische Gewerkschaftsbund.
Allmählich setzt sich der Demonstrationszug in Bewegung. Fahnen, Luftballons, selbstgemachte Schrifttafeln. Trillerpfeifen, Trompeten, Megaphone werden lauter. Breite Transparente werden über noch breitere Straßen gespannt. Im Demozug: Nicht nur Fußgänger, sondern auch Fahrzeuge aller Art mit bunten Aufschriften und Parolen der Gewerkschaften.
Vertreter der Gewerkschaft NGG begleiten Demonstranten der EFFAT aus Brüssel. Das ist die Europäische Föderation der Gewerkschaften in den Sektoren Nahrungs- und Genussmittel, Landwirtschaft und Tourismus. Zu der gehört auch die NGG.
Die Demonstrationsstrecke ist zirka 5 km lang, führt durch das Bankenviertel, streift den Sitz der Europäischen Kommissionn und endet in einem großen Park an der Esplanade du Cinquantenaire, dem Ort der Abschlusskundgebung.
Protestiert wird auch in Portugal, Italien, Lettland, Polen, Zypern, Rumänien, Tschechien, Litauen, Serbien und Irland. Im Demozug Brüssel sind neben diesen Ländern auch Teilnehmer aus fast allen europäischen Staaten vertreten. International eben.
In Hamburg demonstrieren 20.000 Menschen gegen das Kürzungspaket der Bundesregierung. Motto des DGB Hamburg: 'Gerecht ist anders'.
In Dresden protestieren 5000 Menschen gegen sozialen Kahlschlag und für den Erhalt der Arbeitsplätze. Organisiert vom DGB Dresden.
Und in Spanien findet zeitgleich ein Generalstreik statt. Rund 80 Prozent des Landes ist dadurch lahmgelegt.
Weiterführende Information und Literatur:
1) Worker-Participation Europe – Brüssel (Webportal teilweise auf Deutsch)
2) Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG, Mannheim 2007
European Trade Union Institute (ETUI) - Brüssel (Webportal auf Englisch)
European Trade Union Confederation (ETUC) - Europäischer Gewerkschaftsbund – Brüssel (Webportal auf Englisch)
Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten - Hamburg
Deutscher Gewerkschaftsbund - Berlin
Links abgerufen am 29.9.2010
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